2008 – «Anne Bäbi im Säli» von Beat Sterchi
Eine Laiengruppe erarbeitet eine Theaterfassung von Gotthelfs Annebäbi-Roman. Geübt wird auf der Bühne im Säli des Restaurant Ochsen.
Jeder der 3 Akte gibt Einblick in eine bestimmte Phase der Probenarbeit. Im 1. Akt kommt man zusammen, verteilt die Rollen, liest ausgewählte Szenen. Im 2. Akt – 7 Wochen später – wird arrangiert, szenische Möglichkeiten und Kostüme werden ausprobiert. Der 3. Akt zeigt die Hauptprobe. Der Regisseur sitzt „im Säli“.
Pressestimme
„Herausragende Gruppe!“ (Theater Zytig)
„Echte Bravourleistung“ (Berner Rundschau)
„Sowohl die Situationskomik wie die ernsten Szenen sind hervorragend herausgearbeitet. Vom Schauspielerischen her ist das Amateurtheater der gehobenen Klasse.“ (Theatertage Aarau)
Der Autor
Beat Sterchi, 1949 in Bern geboren, wanderte 1970 nach Kanada aus, studierte in Vancouver Anglistik, unterrichtete dann, während er Spanisch lernte, zwei Jahre Englisch in Honduras. Als Deutschlehrer am Goetheinstitut in Montreal begann er zu schreiben. Bekannt wurde er mit seinem Roman ""Blösch"".
Heute lebt er in Bern. Er schreibt Prosa, Reportagen, Kolumnen, Hörspiele und Theaterstücke und ist Mitglied der Autorengruppe „Bern ist überall“. Seine Arbeit wurde mit verschiedenen Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Die meisten seiner Hörspiele inszenierte „unser“ Regisseur Charles Benoit. Für ""Bitzius"" wurden die beiden 2005 mit dem Prix Suisse ausgezeichnet.
Besetzung
Dagmar Brenzikofer-Aeschlimann als Anne Bäbi Jowäger |
Rosette Rohrbach |
Hans Knecht als Hansli |
Werner Suter |
Jack Giovanoli als Jakobli |
Luc Lienhard |
Natascha Kreyenbühl als Meyeli / Lisi |
Annelis Bögli |
Michaela Röthlisberger als Mädi |
Julia Joss |
Hansueli Wüthrich als Sami |
Andreas Eberhard |
Holger Tetschke der Regisseur |
Peter Lüdi |
Marija Mlinar die Kellnerin |
Rosemarie Steiner |
Stab
Regie | Charles Benoit |
Musik | Werner Aeschbacher & Martin Hägler |
Technik | Claudine Traber |
Bühne | Werner Suter & Charles Benoit |
Interview mit dem Regisseur Charles Benoit
„Anne Bäbi im Säli“ hat ein Profi im Auftrag von Profis geschrieben. Ist das Stück für eine kleine Laienbühne nicht eine Nummer zu gross?
CB: Anne Bäbi ist für ein Laienensemble tatsächlich ein sehr schwieriges Stück. Aber mit einer Truppe von der Qualität und Spielfreude der Utzenstorfer kann man es wagen.
Was macht denn das Stück so „schwierig“?
Ein heutiges Dorftheater probt eine Theaterfassung eines historischen Stoffes. Die Darstellerinnen und Darsteller verkörpern also einerseits heutige Figuren, andererseits Figuren aus der Zeit Gotthelfs.
Ein Beispiel: Annelis Bögli ist privat angehende Pflegefachfrau. Wenn sie zu mir auf die Theaterprobe kommt, schlüpft sie zunächst in die Rolle der Natascha. Das ist eine junge Frau, die davon träumt Model zu werden und bereits an einer Schönheitskonkurrenz die Vorrunde überstanden hat. Als Natascha spricht sie heutiges Berndeutsch. Sie spielt im Gotthelf-Stück das Meyeli, ein armes, liebenswertes Mädchen. Und weil für die Rolle des Lisi, der zickigen Bauerntochter vom Zyberlihoger, keine Darstellerin da ist, spielt sie gleich auch noch das Lisi. Als Meyeli und als Lisi spricht sie das urchige, originale Berndeutsch Gotthelfs. Und die beiden Zeit- und Sprachebenen wechseln oft innerhalb der gleichen Szene mehrfach. Das ist eine der vielen Schwierigkeiten für die Spielenden.
Die Literaturkommission des Kantons Bern hat den Autor Beat Sterchi für das Stück ausgezeichnet. Wo liegen denn sonst noch die besonderen Qualitäten des Stücks?
Beat Sterchi ist ein profunder Kenner Gotthelfs und dazu ein erstklassiger Theatermann und Sprachkünstler. Er legt nicht einfach die x-te Bühnenfassung des Anne Bäbi-Romans vor, er macht Gotthelf und seine Zeit unmittelbar erlebbar und bringt sie in Bezug zu unserer heutigen Zeit. Und wir sehen, dass die Dinge, die uns heute beschäftigen zum Teil gar nicht so neu sind. Ein kleines Beispiel: Gotthelf hat immer wieder die Skepsis, die Angst vor dem Fremden thematisiert. Auch dem Regisseur in Sterchis „Anne Bäbi“ weht aus dem Kreis der Spieler ein rauer Wind entgegen. Er ist als einziger ein Auswärtiger, ein Ausländer! Was soll ein Ausländer denn von Gotthelf verstehen? Und was sollen diese neuen Ideen? Man hat ja schon ein Dutzend Mal Gotthelf gespielt, und man weiss, wie das geht! Und was Sterchi zudem auszeichnet: er schafft es, einen an sich ernsten Stoff mit viel Witz und Komik zu erzählen, so dass die Zuschauer sich – hoffentlich! – göttlich amüsieren werden, und er schreibt eine Sprache, die kunstvoll und alltäglich zugleich ist. Sprache ist bei ihm nicht nur einfach ein beliebiges Kommunikationsmittel, sie ist auch Musik, Rhythmus, Kunst.
Auch sie sind ein Profi-Regisseur und wohnen nicht in Utzenstorf. Hatten Sie ähnliche Probleme wie Regisseur Holger Tetschke im Stück?
Ich kenne und liebe das „Dorftheater“ seit vielen Jahren, habe fast alle Produktionen gesehen und 2004 auch erstmals hier inszeniert. Das hätte ich bestimmt nicht getan, wenn ich von dieser Truppe nicht total überzeugt wäre. Sie bietet mit äusserst bescheidenen Mitteln, ohne jede finanzielle Unterstützung Laientheater vom Feinsten. Der Zusammenhalt in der Gruppe, die Einsatzfreude und die Stimmung auf den Proben könnten besser nicht sein. Utzenstorf kann auf sein „Dorftheater“ stolz sein.
Sie bringen eine jahrzehntelange Regie-Erfahrung als Profi mit. Sie haben mit vielen bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern zusammengearbeitet. Ist es für Sie nicht zu mühsam, mit Laien zu arbeiten?
Ich weiss, dass es Regie-Kollegen gibt, die niemals Laientheater machen würden. Mich fasziniert diese Aufgabe. „Meine“ Utzenstorfer sind begabt, wie eigentlich alle Menschen. Man muss bloss Kindern beim Rollenspiel zuschauen. Da kann man grossartige schauspielerische Leistungen sehen. Mit zunehmendem Alter kommen bei den meisten von uns die Hemmungen, sich vor Publikum zu präsentieren, und dann werden wir steif und unnatürlich. Wenn es aber einem Regisseur gelingt, erwachsene Leute wieder ein bisschen zu Kindern zu machen, können Laienspieler sehr gut sein. Der Regisseur muss vielleicht auf der Probe ein bisschen mehr reden, erklären, Geduld haben. Wenn er das schafft und auch menschlich alles stimmt, sind grossartige Leistungen möglich.